Warum soll ich meine Rattenböcke kastrieren lassen? Es gibt Argumente dafür und dagegen.
„Es ist widernatürlich.“ Das ist das am meisten verwendete Argument. Und sowas habe ich auch schon gehört: „mir als Bauerntochter widerstrebt so ein Eingriff.“ Dafür hatte sie dann später auch ungewollten Nachwuchs.
„Ich halte sowieso nur männliche Tiere.“ Dass die Tiere manchmal in Dauerstreitigkeiten leben, wird als „Rangelei“ abgetan. Es wird leider auch vielfach verschwiegen, dass es dennoch immer wieder auch zu Bissverletzungen kommt, dass ängstliche Ratten von Artgenossen ständig bedrängt, bzw. nicht ans Futter gelassen werden oder dass die Ratten sich immer wieder durch den Käfig jagen, was als vergnügliches Spiel verharmlost wird. Diese Tiere leben in einem Dauerstress. Selbstverständlich gibt es durchaus gleichgeschlechtliche Rattenrudel, die sich „gut vertragen“. Die reine Böckehaltung entspricht jedoch nicht dem natürlichen Verhalten, siehe oben.
„Kastraten werden immer so dick.“ Dass Kastraten etwas bequem werden ist bekannt. Manche nehmen geradezu Teppichdimensionen an. Deshalb ist bei ihnen speziell auf gesundes Futter und ausreichend Aktivität, Bewegung zu achten. Regelmässiges Training hält sie in Form und macht nicht nur den Tieren Spass. Eine unterhaltsame Interaktion mit ihrem Menschen steigert nicht nur ihre Lebensqualität, sondern kann auch mithelfen, ihr Leben zu verlängern.
Ja, eine Kastration ist widernatürlich. Doch ist ungewollten Nachwuchs generieren natürlicher? Mit der Heimtierhaltung von Ratten übernehmen wir Verantwortung. Für das Wohlergehen der uns anvertrauten Tiere. Ist immer wieder Nachwuchs zu generieren verantwortungsvoll? Und wohin dann mit den vielen ungewollten Rattenbabies? Solche Fälle hatten wir leider auch schon: unbelehrbare Rattenhalter, die es sich einfach machen: der Rattenclub hilft ja schon bei der Vermittlung. Ja, machen wir. Einmal. Wenn es wirklich ein Unfall oder Versehen war.
Dann ist da noch der finanzielle Aspekt: eine Kastration kostet nun mal. Auch das stimmt. Doch: nichts ist gratis. Wenn man jedoch diese Kosten scheut, dann ist man schlecht vorbereitet auf die Rattenhaltung. Ratten kosten Geld: das geeignete Domizil, das frische Futter täglich, Körner, Spielzeug, Häuschen, Tierarzt, zerbissene Kabel, Tapeten, Ferienplatz … die Liste könnte noch einiges enthalten: alles geht ins Geld, früher oder später.
Ein weiterer Punkt, der für eine Kastration spricht ist die Vermittlung. Viele machen sich keine Gedanken, wie es später weitergehen soll. Später ist später und der Gedanke daran wird weit weggeschoben. Wenn dann doch der Zeitpunkt kommt, man weitere Tiere integrieren will oder gar die Rattenhaltung aufgeben muss, dann wird es schwierig: Rattenböcke sitzen in der Vermittlung und keiner will sie. Weil eine Integration schwierig sein kann, weil Rattenböcke nicht in ein gemischtes Rudel vermittelt werden können. Männliche Tiere sind bis zum letzten Atemzug zeugungsfähig! Männliche Tiere können sich bis aufs Blut bekämpfen. Mussten wir leider auch schon erleben: Böcke, die sich derart gejagt und verbissen haben, bis einer verstorben ist. Das kann vor allem bei Tieren vorkommen, die früher bereits Kontakt zu Weibchen hatten.
Zurück zu Sinn und Zweck der Kastration. Es gibt einige Studien, die belgen, dass eine Kastration das Leben der Böcke verlängern kann. Nicht muss.
Kastration ist natürlich nicht eine Garantie für eine längere Lebensdauer bei einzelnen Ratten. Langlebigkeit unterliegt einer Vielzahl von Faktoren, und der hormonelle Zustand ist nur eine der vielen Variablen, die eine Rolle bei der Bestimmung spielen, wie lange ein Individuum leben könnte. Kastration kann das Leben verlängern, indem sie die lebensverringernden Wirkungen von Testosteron eliminiert. Zum Beispiel kann Testosteron Tumore induzieren, eine Kastration neigt dazu, die Inzidenz von Tumoren zu reduzieren. Kastration kann auch das Leben durch die Senkung der metabolischen Rate verlängern, die den Tod im Falle einer terminalen Krankheit verzögern kann.
Zusammenfassend kann gesagt werden: eine Kastration mag wohl widernatürlich sein, was aber auch die Haltung in Gefangenschaft ist. Um Ratten in Gefangenschaft zu halten – und wenn die Haltung noch so optimal ist, es bleibt Gefangenschaft – ist eine Kastration zum Wohle der Tiere angezeigt. Die Gründe, die dagegen sprechen werden von den Gründen die dafür sprechen um einiges übertroffen. Ausnahmen gibt es immer: sind die Tiere zu alt, ist von einer Kastration abzusehen. Sind sie gesundheitlich angeschlagen, ist ebenfalls von einer Kastration abzuraten. Das Risiko, dass sie die OP nicht überleben, ist zu gross. Das ist jeweils von Fall zu Fall abzuklären.